Das Hostel
Dienstag der 13/09/2022
Als wir mit gepackten Taschen von Sharrell zum Hostel liefen, war die Stimmung bombe. Wir haben
es uns die letzten fünf Tage richtig gut gehen lassen, das Wetter war nice und unsere Reise
sollte nun endlich richtig losgehen. Beim Check-In im Hostel sagte man uns, dass unser Zimmer
grade noch gereinigt wird und wir noch zwei Stunden warten müssen, bis wir das es beziehen
können. Diese kleine Zwangspause nutzen wir indem wir uns erstmal ein Bier bestellten.
Nachdem wir unser zweites Bierchen ausgetrunken haben war unser Zimmer bezugsbereit.
Angeheitert und fröhlich pfeifend stapften wir die Treppe nach oben in den ersten Stock. Im Flur
angekommen dämmerte uns langsam warum dieses Hostel so günstig war… die Luft war so stickig,
dass man sie hätte löffeln können und die dicht an dicht gereihten Türen wurden von winzigen
Lampen in ein dämmeriges Licht gehüllt. „Nicht sehr einladend“ murmelte ich Fredo zu und ging zu
unserem Zimmer. Ich drehte den Schlüssel um und öffnete die Tür. Beim Eintreten kam mir ein
Schwall
von Muff entgegen.
Es war 14:00 Uhr aber trotzdem stockduster in der Bude. An der linken Seite konnte ich die
Umrisse eines Ikea-Regals erkennen, welches reichlich mit Hemden, Handtüchern und Lappen
behangen
war. Ich ließ meinen Blick weiter wandern, bis ich ein Fenster registrierte. „Gott sei Dank!
Erstmal durchlüften hier.“ sagte ich zu Fredo und machte mich gleich auf den Weg. Vorhang
beiseite, Fenster hoch und endlich… frische Luft! *Klonk* Das Fenster ist wieder zu gefallen.
„Na toll und wie lüften wir jetzt?“ fragte ich Fredo. Zum Glück war dieses Problem wohl schon
vorher bekannt geworden. Anstatt alle Fenster austauschen zu lassen, ist der Besitzer auf eine
viel klügere Idee gekommen. Er hat jedem Zimmer einfach zwei Spanplatten zur Verfügung gestellt,
welche man unter das Fenster keilen kann. Ta daaa, Fenster bleibt auf.
Jetzt, wo der Vorhang beiseitegeschoben wurde und licht in das Zimmer strömte, sah ich erst in
was für einem Rattenloch wir gelandet waren. Der Boden voller Müll, Berge von dreckiger Wäsche,
verschimmelte Würstchen im Regal und am Waschbecken bildeten sich schon ganze Schimmelkolonien.
Ich blickte wieder zu Fredo, auch ihm war die Fassungslosigkeit ins Gesicht geschrieben.
Erst jetzt bemerkte ich wie sich etwas in meinem Augenwinkel bewegte. Ich drehte mein Kopf und
sah einen schlafenden Mann, schätzungsweise 35 Jahre alt und indischer Abstammung.
~ Lennart
Der Inder
Immernoch Dienstag der 13/09/2022
Ich spürte Verwunderung warum dieser Kerl wohl am helllichten Tage hier am schlafen sei, schob
seine Müdigkeit jedoch auf eventuelle Nachtschichten und warf meine Tasche auf mein Bett. Gott
sei Dank gab es keine Geländer an den oberen Betten, weshalb ich die schwere Tasche problemlos
hochwuchten konnte. Bei der schwunghaften Bewegung fing das Bett auf einmal an zu wanken wie ein
Boot auf rauer See. „Alles klar“ dachte ich mir „hoffentlich wirst du in der Nacht nicht
Seekrank“. Fredo und ich flüchteten erstmal in den nächsten Park, zum einen, um den Inder nicht
aufzuwecken und zum anderen, um den Schock, welchen das Zimmer auf uns hinterlassen hatte, zu
verkraften. Gegen 19:00 Uhr ist die Kälte langsam durch unsere Pullover gekrochen und wir
entschieden zurück in das Hostel zu gehen. Im Zimmer angekommen stellten wir fest, dass das
Licht brannte – der Inder war wach. Fredo und ich waren noch komplette Neulinge im Hostel-Game
und wollten daher einen möglichst guten Eindruck hinterlassen. Der Smalltalk war wirklich nett,
wir redeten über Gott und die Welt, bis Sandisch (so heißt der Gute) das Thema auf sehr
merkwürdige Verschwörungserzählungen lenkte. Als er dann die gesamte Berichtserstattung der
Nazi-Zeit in Frage stellte, beschlossen wir das Gespräch zu beenden und zu Bett zu gehen.
Da Lag ich also nun in meinem Bett und starrte die Decke an. Die Gefühle und Gedanken die mich
beschäftigten lassen sich nur schwer in Worte fassen. Nachdem ich all meine Wertsachen und mein
Messer unter mein Kopfkissen platziert hatte, schaffte ich es dennoch mit einem wohlen Gefühl
die Augen zu schließen und kurz darauf einzuschlafen. Leider konnte ich nicht lange in der
wohlen Traumwelt verweilen. Vor meinem inneren Auge formte sich auf einmal ein Bild eines
Försters der mitten in der Nacht beschlossen hatte dutzende Bäume zu fällen. Ich konnte das
Geräusch seiner Motorsäge förmlich spüren. Das Geräusch wurde immer lauter, bis es mich
letztendlich ganz aus meiner Traumwelt riss. Die Federn die sich durch die Matratze in meinen
Rücken bohrten waren leicht am vibrieren. Ich machte die Augen auf und war sehr perplex, da ich
mir
zuvor Oropax in die Ohren gesteckt hatte und trotzdem immer noch dieses laute Geräusch hörte.
Als ich es lokalisiert hatte stellte ich fest, dass es von Sandisch kommen musste. Ich beugte
mich über die Bettkante und sah Fredo, wie er sich schon seine Noice-Cancelling-Kopfhörer über
seine Oropax gesetzt hatte. Ich fing an zu schmunzeln. Ich habe schon wirklich viele Leute in
meinem Leben schnarchen hören, aber das war ein ganz anders Level! Aus Neugierde wollte ich
wissen,
wie laut sich das wohl ohne Oropax anhören musste. Also nahm ich einen heraus und fühlte mich
als würde mich jemand ununterbrochen anschreien. „Wow“ dachte ich mir „schon faszinierend, wie
er selber davon nicht aufwachen kann“. Ich versuchte wieder einzuschlafen, was mehr oder weniger
gelang.
In den nächsten Tagen erfuhren wir mehr über Sandisch. Er lebte nun schon seit drei Monaten in
diesem Hostel und arbeitete halbtags als Uber-Eats-Fahrer. Seine Freizeit verbrachte er meist
mit seiner Lieblingsserie. Das war irgendein indisches Format und er konnte den Text jeder Folge
mitsprechen, was er auch gerne tat. Fredo und ich stellten Theorien auf wie lange er schon Fan
dieser Serie sein musste, da er jeden Tag nur die 5 Minuten von ihr mitbekam, die er noch wach
war.
Denn das kuriose an ihm ist, dass er zu jeder Tageszeit einschlafen kann und dann bis zum
nächsten
Tag durchschläft. Sein klassischer Alltag sah wie folgt aus: Aufstehen
arbeiten, ins Bett legen, Serie starten und fünf Minuten später schnarchen. Eines Tages erzählte
er uns dann, dass er die Schlafkrankheit hätte, welche ihn immer super müde macht. Ich verspürte
Mitleid mit ihm. Er war in seiner Situation gefangen. Er musste in diesem günstigen Hostel
leben, da er aufgrund seiner Krankheit nicht Vollzeit arbeiten kann. Dieses Mitgefühl verflog
jedoch immer
recht schnell sobald er wieder anfing Bäume zu fällen.
An unserem letzten Tag in diesem Hostel verabschiedeten wir uns von ihm und wünschten ihm alles
Beste für seine Zukunft, waren aber zugleich froh nicht länger ein Zimmer mit ihm teilen zu
müssen.
~ Lennart
Meine Arbeitserfahrung in Melbourne
29/09/2022 - 19/02/2023
Der erste Arbeitstag war gekommen. Fredo und ich wurden sogar auf die gleiche Baustelle
geschickt. Joe hatte uns am Tag zuvor nochmal angerufen und uns verdeutlicht, dass wir bitte
nicht zu spät kommen sollten, da die Firma „COBILD“ ein treuer Kunde von FLH war. Fredo und ich
suchten daher nach der schnellsten und günstigsten Möglichkeit zu der Baustelle zu kommen. Der
Job lag etwas versteckt in einem ruhigen Wohngebiet, weshalb wir uns entschieden, unabhängig wie
möglich, mit einem E-Scooter dort hin zu fahren. Wir hatten reichlich Puffer-Zeit eingeplant,
damit nichts mehr schief gehen konnte. Nun ja, fast nichts, denn eine Sache hatten wir nicht
bedacht. Diese kack E-Scooter hatten einen stark eingeschränkten Bereich, man konnte sie
eigentlich nur im Zentrum fahren. Nun kam es, wie es kommen musste, auf halber Strecke blieb das
Ding stehen. Kein Zug, kein Bus, keine Tram in Reichweite und nur noch eine halbe Stunde bis
Arbeitsbeginn. Durch einen kurzen Blick auf Google Maps war klar, wenn wir es noch rechtzeitig
schaffen wollen, müssen wir Joggen.
Jeder der schonmal versucht hat in Stahlkappenschuhen zu joggen, hat ungefähr eine Vorstellung
davon, wie wir nach der halben Stunde, immerhin pünktlich, an der Baustelle angekommen sind.
Nach kurzer Einweisung des Vorarbeiters bestand unsere Aufgabe darin aufzuräumen. Erst eine
Garage, dann ein Haus mit Garten. Das Haus war wohl zum Büro umfunktioniert worden, der Garten
war aber das Highlight… Erst wurden wir beauftragt eine Toilette ab zu sägen. Hierzu drückte uns
unser zugewiesener Geselle eine Akku-Tigersäge in die Hand und machte sich danach aus dem Staub.
Achselzuckend gingen Fredo und ich ins Haus und suchten die Toilette. Erst wunderten wir uns
noch warum da Wasser in der Toilette stand. Der Geselle hatte uns eigentlich versichert, dass
die Toilette abgeklemmt und gereinigt worden sei. Aber nun ja, als deutsche Handwerker wollten
wir nicht lange zögern und machten uns also an die Arbeit.
Die Toilette war aus gusseisernem Stahl und auf der Tigersäge war ein Holz-Sägeblatt. Ein
weiteres Detail was irgendwie komisch war. Fredo setzte die Säge an und mühte sich richtig einen
ab, doch selbst nach 10 Minuten sägen, waren lediglich kleine Kerben in dem Rohr der Toilette.
„Das wird in 100 Jahren nichts, ich suche mal unseren Gesellen und frage ihn, ob er ein
richtiges Sägeblatt hat!“ sagte ich und ließ Fredo weiter versuchen. Als ich den Gesellen danach
Fragte schaute er sehr verwirrt. Wir diskutierten ein wenig, dann beschloss ich ihm das Problem
zu zeigen. Wir gingen ins Haus, da sah ich schon, dass unser Vorabeiter hinter Fredo stand und
sich die Haare raufte. Da fuhr er auch schon den Gesellen an: „Das ist die falsche Toilette, du
musst doch aufpassen was deine Arbeiter hier machen!“. Schnell stapfte er in den Garten und
zeigte uns ein Dixiklo welches wir eigentlich demontieren sollten. Oh man, Gott sei Dank sind
wir nicht durch das Stahlrohr gekommen!
Sobald die Toilette weg war sollte ich die durchgesifften Rigipsplatten entsorgen, die als
Fundament der Toilette dienten. Beim Anfassen zerfielen diese in hunderte Stücke. Vermutlich
wurden sie durch den ganzen Urin so spröde. Fredo’s Arbeit war nicht viel besser. Er musste
seinen Arm schultertief in ein Abwasserrohr stecken, um eine Verstopfung zu lösen. Alles in
einem, ein echter scheiß Tag.
Die nächsten Baustellen
Am nächsten Tag wurde die Arbeit nicht viel besser. Wir mussten Steine schleppen. Den ganzen
Tag. Unsere Vorgesetzten waren zwei Auszubildende, die nach meiner Einschätzung ziemlich
verheizt wurden. Weil diese noch nicht sehr arbeitserfahren waren, fragten sie uns am Morgen,
wie wir denn jetzt am besten die Steine 100 Meter zum Schuttcontainer befördern. Fredo wie aus
der Pistole geschossen: „Maurerkübel, am besten gleich drei bis vier, mehrere Schaufeln und
Schubkarren.“ Natürlich hatten sie diese nicht und vermutlich auch nicht das Standing in der
Firma, die mal eben zu kaufen. Stattdessen hatten sie einen geklauten Einkaufswagen, eine
Schubkarre an der die Achse gebrochen war und eine Schaufel. Wir teilten dann die Gruppen so
auf, dass die beiden Auszubildenden den ganzen Schutt in den Einkaufswagen beförderten und Fredo
und ich diesen von da aus zum Container schoben und ihn dort entleerten. Wie man sich jetzt
vielleicht vorstellen kann, war das höchst ineffizient, da ein Team immer auf das andere warten
musste. Später klauten die Beiden dann noch einen 2. Einkaufswagen, damit das Ganze schneller
von statten ging. Immerhin… aber dennoch nicht so wie Fredo und ich das in unserer Ausbildung
gelernt hatten. Nun ja, am Ende des Tages waren wir froh, dass wir alles geschafft hatten und
einen weiteren Tag näher an unserem ersten Gehaltscheck waren. Eines wurde uns aber klar, solche
Arbeit können wir nicht das ganze Jahr in Australien machen. Mental, wie körperlich würden wir
sonst kaputt gehen.
Mein erster „langfristiger“ Job
Als nächstes hatte ich das „Glück“ und wurde langfristig zu einem Arbeitgeber geschickt. Das war
insofern Vorteilhaft, da ich jeden Tag den gleichen Arbeitsweg hatte und mich mit meinen
Arbeitskollegen anfreunden konnte. Bei besagtem Unternehmen handelte es sich um eine
Gerüstbau-Firma „Scaff-Co“. Ich wusste noch aus meiner Zeit bei MWB, dass Gerüstbauer ein
spezielles Völkchen waren, aber bemühte mich mit möglichst wenig Vorurteilen in diesen neuen Job
zu starten. Als erstes lernte ich Craig und Leigh kennen. Beides sehr sympathische Menschen! Sie
waren keine Gerüstbauer, sie sorgten nur dafür, dass im Lager alle Gerüstteile sortiert und
verstaut wurden, was auch mein Job werden sollte. Craig, Mitte 50, kam aus England und war der
Stiefvater von Leigh.
Die beiden waren ein eingespieltes Team und belieferten mich mit Paletten von Gerüstbauteilen,
welche ich zu sortieren und zählen hatte. Es war jetzt keine anspruchsvolle Arbeit, aber ich sah
das Ganze als gutes Workout und hörte nebenbei Hörbücher oder Musik. Ich bekam ein Lob nach dem
anderen, da ich wohl so schnell gearbeitet habe, dass die gar nicht nachgekommen sind mich mit
neuen Paletten zu versorgen. Das war etwas ganz Neues für mich. Ich habe noch nie wirklich Lob
auf der Arbeit bekommen. In Deutschland gilt mehr die Devise „kein Tadel ist Lob genug“. Für
meine Motivation hat das einen riesigen Unterschied gemacht! Wenn ich später mal selbst
Arbeitgeber bin, weiß ich dank dieser Erfahrung, wie man es richtig macht.
Die Tage strichen vorbei und auf einmal war Freitag, Arbeitswoche fast geschafft. Heute habe ich
das erste Mal die Gerüstbauer kennengelernt. Casper und Josh sahen aus wie Ex-Sträflinge. Von
der Ohrmuschel bis zum Fuß komplett voll tätowiert, beide an die 2 Meter groß und ziemlich beste
Freunde. Wie ich schnell in Gesprächen mit den Beiden herausfand, nahmen sie Unmengen an Kokain
und Alkohol zu sich, was sie am nächsten Tag auf der Arbeit nicht unbedingt zu den tüchtigsten
Mitarbeitern machte. Je nach Größe des Exzesses waren sie extrem launisch und faul. Einmal nahm
Josh einen 1 Meter langen Holzbalken und schleuderte ihn mit voller Wucht gegen die Hallendecke,
weil ihn das grade so ankotzte in der Halle sein zu müssen. 20 Minuten später hatte er sich
wieder beruhigt und suchte auf seinem Handy nach der nächsten Prostituierten. So oder so ähnlich
ging das jeden Freitag, wenn die beiden in der Halle waren und nicht unterwegs sein konnten um
Gerüste auf- oder abzubauen. Wieder einmal bestätigte sich mein Vorurteil über Gerüstbauer.
Abgesehen von den Freitagen, war das eine gute Arbeit. Ich arbeitete hier für zwei Wochen, bis
ich ein neues Jobangebot bekam. Natürlich hatte ich mich nach Feierabend immer fleißig beworben,
da das Sortieren von Gerüstteilen zwar nicht schlecht war, aber dafür super monoton. Besagtes
Jobangebot bekam ich von „MADE Retail Systems“, die dringend einen Schweißer suchten. Elias war
der Manager dieser Firma und lud mich zum Vorstellungsgespräch ein.
Mein erster richtiger Job
Von unserem Hostel aus brauchte ich knapp zwei Stunden nach Lynbrook. Angekommen galt es erstmal
einen Schweißtest zu absolvieren und anschließend ging es ins Gespräch. Elias zeigte mir ihren
Katalog von allen Produkten, die sie anbieten. Von Türen, über Regalsystemen bis hin zu Tischen
und Stühlen war alles dabei. Ich war baff, die Produkte sahen alles so schick aus, dass ich am
liebsten selber dort eingekauft hätte. Die Bezahlung von 40AUD war alles andere als schlecht und
so beschloss ich den Job anzunehmen. In den ersten Tagen hab ich leider noch nicht die Qualität
abgeliefert, die sie gerne haben wollten. Ich war es einfach nicht gewohnt, dass es auf jede
Kleinigkeit ankommt. Ganz zu schweigen davon, dass ich das letzte mal vor Beginn des Technikers,
also vor knapp zweieinhalb Jahren, geschweißt habe. Ich gab alles, um meinen Arbeitgeber nicht
zu enttäuschen, und wurde schnell besser. Nach drei Wochen wurde ich dann so gut, dass ich mit
den schwierigsten Aufträgen betraut wurde. Das fühlte sich echt gut an, dass man so
wertgeschätzt wurde. Auch hier wieder ein Gefühl, welches ich aus Deutschland nicht kannte.
Die Tage und Wochen strichen so vorbei, Weihnachten kam immer näher, und ich lernte wirklich
viel. So möchte ich mir zum Beispiel meine Möbel für meine Studentenwohnung selber bauen, da ich
ja nun die Zeichnungen und das Knowhow besitze die
schönsten Möbel selbst zu fertigen.
Zu Weihnachten lud mein Elias das komplette Kollegium zu einer Führung im MCG (Melbourne Cricket
Ground) ein. Eine sehr eindrucksvolle Erfahrung! Ich habe zwar keine Ahnung wie man Cricket
spielt, aber für mich war mehr das Bauwerk als solches und die Infrastruktur dahinter
interessanter. In das Stadion passen um die 120.000 Menschen. Da man sich die Zahl schwer
vorstellen kann hier ein kleiner Vergleich: In die Alianz-Arena (Deutschlands größte Arena)
passen knappe 70.000 Menschen. Das heißt, dass das MCG fast doppelt so groß ist! Nach der
Führung ging es dann in einen englischen Pub, in dem wir reichlich aßen und tranken. Leider
hatte ich den ganzen Tag über schon starke Kopfschmerzen, welche der Alkoholkonsum nicht grade
begünstigte, was dazu führte, dass ich gegen frühen Abend mich verabschieden musste und nach
Hause lief.
Unsere Zeit in Melbourne neigte sich immer mehr zum Ende und so kam der Tag des Abschiedes in
meiner Firma. Wie jeden Freitag tranken wir auch heute am 17.02.2023 nach der Arbeit ein paar
Bierchen und schnackten ein wenig. Elias überreichte mir mein Arbeitszeugnis, welches er extra
auf meinen Wunsch hin angefertigt hatte, wünschte mir alles Gute für meinen ambitionierten Weg
und sicherte mir noch zu, dass wenn ich jemals einen Job in Melbourne benötigte ich ohne
weiteres wieder bei MADE Retail Systems einsteigen könnte.
Auf meinen Weg nach Hause verspürte ich ein unglaubliches Glücksgefühl, welches sich kaum mit
Worten beschreiben lässt. Es war ähnlich intensiv wie damals, als ich an meinem letzten
Arbeitstag bei MWB vom Hof gefahren bin, oder Als ich das letzte mal die Werkstatt von Fricke im
Rückspiegel sah. Denn egal wie gut oder schlecht meine Arbeitserfahrung als Handwerker in einem
Betrieb ist, nach spätestens drei Monaten fühle ich mich beklemmt und nicht mehr gefordert – es
wird jedes Mal langweilig. So war ich nun endlich froh, ein weiteres Kapitel zu schließen und
mit vollem Elan in das Nächste zu starten.
Ein wenig angedudelt kam ich zu Hause an und ließ mich in mein Bett fallen. Ja richtig gelesen,
seit Mittwoch hatte ich mein eigenes Bett!! Doch lass mich weiter vorne anfangen. Wo war unser
zu Hause eigentlich?
~ Lennart
Das Leben im 41. Stock
29/09/2022 - 19/02/2023
Der Weg vom Hostel in unsere erste Wohnung
Nachdem Fredo und ich schon seit drei Wochen in dem Selina-Hostel wohnten, ging uns dieses immer
mehr auf die Nerven. In einem Hostel zu wohnen bringt viele Vorteile mit sich. Allen voran,
lernt man super viele Leute, aus allen möglichen Nationen kennen. Des Weiteren hatte das Selina
eine eigene Bar, in der es jeden Tag eine Happy-Hour gab. Schnell führte das dazu, dass Fredo
und ich, grade nach einem scheiß Arbeitstag, unseren Feierabend dort verbrachten. Das Team
hinter dem Selina-Melbourne war sehr Jung und bestand größten Teils aus Reisenden, die dort für
kostenlose Logis arbeiteten. Mit einem von ihnen freundeten wir uns ganz besonders an, Flo. Flo
kommt aus München, studiert Tourismuswirtschaft und machte grade sein Praxissemester in unserem
Hostel. Unsere gemeinsame Liebe zu dem deutschen Komiker Christoph Maria Herbst besiegelte
schnell unsere Freundschaft. Seine Aufgabe im Hostel bestand darin Sportevents am Wochenende zu
organisieren. Oftmals haben wir dann samstags in der Abendsonne Beachvolleyball gespielt.
Kling bis hier hin ziemlich traumhaft oder? Also warum waren Fredo und ich nun zunehmend
angenervt? Nun ja, es ist zwar wirklich schön neue Bekanntschaften zu schließen, jedoch hat man
in einem Hostel nicht wirklich die Wahl, ob man das grade auch möchte. An manchen Tagen möchte
man einfach nicht mit anderen Reden und braucht einfach mal seine Ruhe. Grade ich schätze meine
Zeit sehr, die ich nur mit mir und meinen Gedanken verbringen kann. Ich mag es gerne Gedanken
tief und ausführlich nach zu gehen. Dieser Prozess kann gerne ein paar Stunden dauern, in denen
ich ungern gestört werde. In einem Hostel ist man nie wirklich ungestört, man teilt sein Zimmer,
die Küche, das Wohnzimmer und auch das Arbeitszimmer mit anderen. Abgesehen davon, dass ich
meine introvertierte Seite zu lieben gelernt habe, blieben die meisten Bekanntschaften auch nur
auf einer oberflächlichen Ebene. Die Konversationen liefen immer ungefähr so ab: „Wie heißt du?
Wo kommst du her? Wie lange bleibst du in Melbourne? Was hast do vorher bereist? Was arbeitest
du?“. Um so öfter sich solche Konversationen wiederholen, desto mehr stumpft man ab.
An einem Tag bekamen wir eine neue Zimmerkameradin und fanden in ihr eine neue Freundin, die
unsere Zukunft in Melbourne entscheidend verändern sollte. Manon kam aus den Niederlanden und
wir verstanden uns auf Anhieb mit ihr. Ich würde ihren Charakter als fröhlich, flippig und
ungebremst beschreiben. Außerdem war sie uns sehr sympathisch, da sie, so wie wir, einen festen
Job hatte und jeden morgen früh mit uns raus musste. Eine Eigenschaft, die nicht häufig bei
Work-and-Travelern anzutreffen ist. Wie wir in den folgenden Tagen herausfanden, war auch Manon
geplagte des Hostel-Blues und wir entschieden zusammen nach einer Wohnung für eine WG zu suchen.
Jeder von uns setzte sich an die Recherche und Manon war die Glückliche, die auf einer
unscheinbaren Website einen Besichtigungstermin für eine Wohnung ergatterte, die noch gar nicht
offiziell inseriert war. Wie genau sie das angestellt hat, weiß ich bis heute nicht. Die Wohnung
war der Hammer! Im Zentrum von Melbourne, mit atemberaubendem Blick vom 41. Stock und Gym sowie
Spa inklusive. Beim Besichtigungstermin machte der Makler deutlich, dass wir die einmalige
Chance auf diese Wohnung haben. Wenn wir sie nicht nehmen, hätte er schon jetzt 50 weitere
Interessenten, ohne Inserat. Wir mussten nicht lange überlegen, natürlich sagten wir ja!
Dieses Gefühl, welches Fredo und ich verspürten, als wir mit unseren gepackten Taschen vor der
Tür standen, den Schlüssel drehten und unsere neue Wohnung betraten, war einfach
unbeschreiblich!
In diesem Moment erinnerte ich mich an unsere Ankunft in Melbourne zurück. Wir nahmen ein Uber
vom Flughafen zu unsere Unterkunft, als ich das erste Mal die Skyline Melbournes sah. Mir blieb
der Mund offen stehen. So viele Wolkenkratzer hatte ich noch nie gesehen. Ich erinnere mich noch
ganz genau, wie ich dachte: „Was muss ein Mensch machen, um solch ein Apartment sein Eigenheim
nennen zu können? Wie viel Arbeit erfordert es, sich so etwas leisten zu können?“. Und heute
stehen wir vor dieser Tür, zu genau solch einem Apartment. Ich bin zwar nicht sehr gläubig, aber
das verstand ich eindeutig als Botschaft! Es war als wolle mir Gott sagen, du kannst alles
schaffen! Traue dich zu träumen!
Den Rest des Tages verbrachten wir damit, unser Zimmer zu beziehen, unsere Taschen auszupacken
(Was sich soooo gut anfühlte, mal nicht aus der Tasche zu leben!!) und Bier zu trinken, welches
Manon für uns im Kühlschrank deponierte. Manon hatte noch eine Woche länger im Selina bezahlt
und konnte diese nicht stornieren, weshalb Fredo und ich die Wohnung noch für uns hatten.
Das Gefühl über den Wolken
In den ersten Tagen wurde ich von einem unermüdlichen Arbeitsdrang erfüllt. Meine Wochenenden
liefen meist wie folgt ab: Ich bin früh aufgestanden, um zu sehen wie die Sonne aufging und
immer mehr und mehr durch die Wolkenkratzer drang. Von so weit oben war die, sonst so wuselige,
Innenstadt ganz ruhig. Man hörte nichts und sah nur Miniatur Autos auf den Straßen umherfahren.
Es hatte etwas so Beruhigendes. Ich habe es geliebt, bevor ich irgendetwas anderes machte,
einfach in die Ferne zu Blicken und meine Gedanken zu sortieren. Oftmals habe ich mich darin
etwas verloren und bei einem Blick auf die Uhr festgestellt, dass ich schon Stunden einfach
dasitze und meditiere. Gegen 8 Uhr sollte mein Tag aber meistens starten und so ging ich zum
Victoria Market (der gleich vor unserer Haustür war) kaufte Brot und Eier für das Frühstück ein.
Nachdem dieses zubereitet und verspeist war, machte ich mich an die Arbeit. Ich arbeitete meist
bis Sonnenuntergang an zum Beispiel meiner Website oder las Finanzberichte und studierte
aktuelle Geschehnisse am Finanzmarkt. Manon versuchte öfters mich daran zu erinnern, dass ich
doch das Leben genießen solle. Damit meinte Sie alles, was man in unserem Alter eben an einem
Wochenende so macht: In einen Pub gehen, danach in einen Club und nach Mitternacht betrunken
nach Hause zu torkeln. Was Sie dabei aber nicht verstand war, dass ich mein Leben grade in
vollen Zügen genoss! Ich konnte mir nichts Besseres vorstellen, als im 41. Stock zu sitzen und
an Dingen zu arbeiten, die mir Spaß machten. Es war einfach die Aura dieses Apartments. Nach
meinem Verständnis kann man nicht in solch einer Wohnung leben und ein gewöhnliches Leben
führen. Ich denke der Unterschied zwischen unseren Ansichten bestand in der Erwartung unseres
restlichen Lebens. Manon möchte gerne ein sorgenfreies Leben führen, ein Leben wie aus dem
Bilderbuch. Sie möchte einen normalen Job haben, eine Familie, ein Haus und auf diesem Weg
möglichst viel Spaß. Mir geht es darum ein freies und bedeutsames Leben zu leben. Wenn ich mit
40 Lust bekomme mal wieder in einem Wolkenkratzer zu leben, möchte ich die Freiheit besitzen
genau das zu tun. Ich lebe nicht für Spaß, sondern viel mehr dafür etwas aufzubauen und einen
wirklichen Unterschied zu machen. Wenn ich eines Tages auf dem Sterbebett liege, möchte ich
nicht auf ein gewöhnliches Leben zurückschauen. Mit Stolz möchte ich dann sagen können, dass ich
etwas aufgebaut haben was nicht nur meine Nachkommen und Menschen um mich herum versorgt,
sondern mein Land und vielleicht sogar die ganze Welt vorangebracht hat.
Der Jahreswechsel Down Under
Und so verstrichen die Wochen, montags bis freitags bin ich nach Lynbrook gependelt und am
Wochenende nutzte ich meine freie Zeit für das, was mich wirklich interessierte. Durch diesen
Flow bemerkte ich kaum, dass auf einmal die Weihnachtszeit vor der Tür stand. Lediglich der
Weihnachtsbaum auf dem Victoria Market erinnerten mich daran, dass es nicht mehr weit bis zum
Jahreswechsel war. Vermutlich lag es an dem Wetter, dass ich nicht so wirklich in
Weihnachtsstimmung kam. Der Dezember ist einer der heißesten Monate in Melbourne. Während ich
auf der Arbeit bei 30°C Tische baute, dabei schwitzte wie ein Ochse, liefen Mariah Carey und
Wham! in Dauerschleife im Radio. Das hat sich irgendwie surreal angefühlt.
Für Heiligabend haben Fredo und ich uns vorgenommen ein richtig leckeres deutsches
Weihnachtsessen zu machen. Erst überlegten wir noch auf einen Hummer herum, bei dem Preisschild
von 100$ pro Stück planten wir dann aber doch um. Nun sollte es einen Weihnachtsbraten mit
Knödeln und Rotkohl geben. Für die Zutaten sind wir um 5 Uhr zum Markt gegangen, welcher
normalerweise erst um 6 Uhr aufmacht, und dennoch waren die Hallen knalle voll. Man konnte kaum
einen Schritt vor den anderen machen. Der Einkauf zog sich über Stunden. Erschwerend hinzu kam,
dass wir Zutaten wie Kartoffelmehl und eingelegten Rotkohl nicht finden konnten. Kurz bevor wir
die Suche aufgeben wollten fanden wir dann einen frischen Kopf Rotkohl und Kartoffelstärke.
Naja, dachten wir uns, das muss jetzt auch so gehen. Wir kochten den ganzen Tag. Nach genau neun
Stunden war es dann soweit, dass wir unser deutsches Essen mit Blick über Melbourne zum
Sonnenuntergang genießen konnten. Wirklich schön! Ein wenig geknickt waren wir beide, dass wir
diese Zeit nicht mit unseren Familien verbringen konnten, grade wo meine Familie wieder das
erste Mal seit langen komplett war an diesem Feiertag. Umso schöner war es, dass ich Weihnachten
mit Fredo feiern konnte. Nach unserer langjährigen Freundschaft sind die Ostermänner ja auch wie
Familie für mich.
Erster Weihnachtsfeiertag
In Australien wird Weihnachten hauptsächlich am 25.12 gefeiert und so planten wir mit all
unseren Freunden zusammen zu kommen. Das Wetter war perfekt und so zogen wir unser „schickes“
Strandoutfit an, kauften ordentlich Bier und machten uns auf den Weg. Anscheinend waren wir
nicht die Einzigen, die Weihnachten am Strand zelebrieren wollten, es war sehr voll, aber alle
Menschen waren gut und entspannt drauf. Von der positiven Aura wurde ich gleich angesteckt. Als
wir unsere Gruppe fanden, staunte ich nicht schlecht. Es haben sich noch weitere Leute aus dem
Hostel angeschlossen, so dass wir insgesamt um die 20 Leute waren. Wir tranken, lachten und
feierten gemeinsam in den Abend hinein. Einige der neuen Gesichter möchte ich eben vorstelle. Da
wäre zum Beispiel Max. Ein deutscher Musiker, der auch echt nett war und wie uns von Flo
zugetragen wurde, auch ein echter Stromberg-Fan. Die Stromberg-Witze haben den Abend noch auf
ein ganz anderes Level gehoben. Selbst jetzt wo ich diese Zeilen schreibe, musste ich wieder
herzlich darüber lachen… Eine weitere neue Person war Hannah. Genau wie Manon war sie eine
Niederländerin. Unsere Blicke trafen sich öfters und führten dazu, dass sie meine Liebschaft für
meine restliche Zeit in Melbourne werden sollte.
Sylvester
Das nächste Mal sah ich Hannah an Silvester. Wir feierten in unserem Apartment, da man von hier
die ganze Stadt überblicken konnte, versprach dies die beste Option für das Feuerwerk zu sein.
Wir waren insgesamt sieben. Außerdem mit dabei waren Manon, Flo, Charlotte (Flo´s Freundin),
Vanessa (Eine Freundin von Hannah) und eine weitere Freundin von Flo, deren Name ich leider
nicht mehr erinnere. Manon hatte noch Deko aus ihrem Hotel mitgebracht und mit Champagner und
Gin machten wir uns einen richtig schönen Abend. Und was soll ich sagen… das Feuerwerk war
spektakulär!! Überall um uns herum sah man Leuchtsäulen in allen Farben in die Luft steigen, die
dann explodierten und den Nachthimmel in ein buntes Spektakel verwandelten. Das war das schönste
Feuerwerk was ich je gesehen habe.
Mein Geburtstag
Mit dem Jahreswechsel ist es nicht mehr weit zu meinem Geburtstag. Am 2. Januar waren wir immer
noch nicht so richtig fit weswegen ich beschloss keinen Alkohol zu trinken und keine Party zu
veranstalten. Wir starteten mit einem schönen Spaziergang durch die Arcaden von Melbourne. Das
„Block Arcade“ ist ein kleines Shoppingzentrum welches knapp 130 Jahre alt ist und sehr schöne
Teeläden, Chocolaterien und Schneidereien hat. Anschließend wollte ich gerne in das Kasino
gehen. Wir haben so viel Gutes darüber gehört, dass ich mich einfach selbst davon überzeugen
wollte. Und tatsächlich… ein riesiger Schuppen, in dem es nichts gibt, was es nicht gibt. Von
einem Kino, über Hotel, bis hin zu dutzenden Restaurants. Hier konnte man wirklich autark leben.
„Wenn wir schonmal hier sind, muss man ja auch noch mal sein Glück versuchen“ sagte ich zu Fredo
und hob 20 Dollar ab. Ich habe vorher noch nie Glücksspiel in irgendeiner Form betrieben, aber
es interessierte mich brennend, was da wohl für Menschen rumlaufen. Innerlich hatte ich schon
mit den 20 Dollar abgeschlossen, ich war nicht wirklich hier um Geld zu machen. Ich denke jeder
der mit der Intention ins Kasino geht, läuft Gefahr früher oder später süchtig zu werden.
Etwas ernüchternd stellte ich fest, dass der niedrigste Einstieg beim Roulette bei 5$ die Runde
lag, wenn man auf eine Zahl wettete. Setzte man aber auf eine Farbe z.B. Rot, dann musste man
mindestens 15 Dollar wetten. Wenn ich also auf die falsche Farbe wetten würde, dann wäre dieser
Spaß ziemlich schnell vorbei. Wir beschlossen erstmal ein wenig zuzugucken. Da war diese
Asiatin, die jede Runde schätzungsweise 300$-400$ wettete und ihre Chips auf den ganzen Tisch
verteilte. „Unglaublich…“ dachte ich „egal wieviel Geld ich mache, so werde ich damit nicht
umgehen!“. Nach 10 Minuten hatte die gute Dame tausende Dollar verspielt, ließ sich den Rest
auszahlen und ging weiter zum nächsten Tisch. Auch wenn man jetzt vielleicht vermuten mag, dass
das ein Einzelfall war, das war es bei weitem nicht! An den Tischen mit höheren Einsätzen
verspielten Leute schnell das Fünf- bis Zehnfache und Gott weiß wieviel auf den Etagen verspielt
wird, auf die man als „Geringverdiener“ keinen Zutritt hat. Wow… ich war geflasht!
Kein Roulette für uns, also setzten wir uns an die einarmigen Banditen. Überraschenderweise
waren hier überwiegend Rentner anzutreffen. Auch das war mir sehr suspekt… findet man im hohen
Alter keine andere Beschäftigung als stundenlang den rollenden Symbolen auf dem Display zu
zuschauen? Aber als nächstes schoss mir der Gedanke in den Kopf, was wenn die keine Nachfahren
haben und niemandem ihr Geld vererben können? Ich beschloss nicht weiter darüber nach zu denken
und ließ meinen Schein von der Maschine einziehen. Im ersten Moment war ich etwas überwältigt
von den ganzen Knöpfen und Symbolen. Ich spielte dann zuerst auf 1ct die Umdrehung und dann 5ct.
Als die 20 Dollar dann fast weg waren, bekam ich das erste Mal Freispiele und gewann 10 Dollar
zurück. Ich spielte noch auf glatte 10 Dollar runter und ließ mir mein restliches Geld
auszahlen. Neben der Wechselstube standen vier, augenscheinlich sehr alte, Automaten. Ich wollte
jetzt nicht die Zehn-Dollar-Note riskieren, fand dann aber noch eine Zwei-Dollar-Münze in meinem
Portemonnaie. Ich zögerte nicht lange und schmiss sie in den Schlitz. Bei diesem Automaten waren
die Symbole ganz anders und um ehrlich zu sein wusste ich nicht mal was man brauchte um zu
gewinnen. Bei der vierten Umdrehung erschien auf einmal ein „WIN“-Symbol auf dem Bildschirm. Der
Automat zählte langsam hoch. Bei 10$ dachte ich mir „geil, jetzt habe ich meinen Einsatz wieder
drin!“, doch er hörte nicht auf. Schließlich blieb er bei 54$ stehen. Was für ein
Geburtstagsgeschenk! Ich ließ mir jeden Cent davon auszahlen und verließ mit Fredo das Kasino.
Was für eine Erfahrung! Jedem der noch nie im Kasino war, empfehle ich das mal zu machen. Auch
wenn man nur 10€ verspielt, lohnt es sich dennoch. Ich habe viel neues über Geld gelernt. Manche
Menschen haben einfach garkeinen Bezug mehr zu Geld und zahlen jeden Preis für den nächsten
Dopaminrausch und andere verspielen ihre Pension, weil sie nicht wissen was sie sonst mit dem
Geld machen sollen. Das Geld liegt auf den Straßen, man muss nur einen Weg finden es
einzusammeln.